Änderung Behandlungsschema Paracetamolvergiftung per 1.2.2024

Achtung an alle Fachpersonen:

Tox Info Suisse wechselt das Therapieschema mit N-Acetylcystein (NAC) für Paracetamolvergiftungen auf ein 2-bag Schema. Interview mit Dr. med. Katrin Faber, Expertin für Paracetamolvergiftungen von Tox Info Suisse.

Was ändert sich?

Neu: 2-bag Schema anstelle des alten 3-bag Schema (Prescott Schema)

1. Bag mit 200 mg NAC / kg KG über 4 Stunden
Die erste und zweite Phase des alten Schemas (Bag 1 und 2) werden zu einer einzigen Phase mit einem Bag zusammengenommen.
2. Bag von 100mg NAC /kg KG über 16 Stunden
Diese entspricht der früheren dritten Phase.

Neu: 2-bag Schema anstelle 3-bag Schema (Prescott Schema)

2-bag Schema in Kürze:

  • Gleiche Gesamtdosis
  • Gleiche Effektivität
  • Weniger unerwünschte Nebenwirkungen


Interview mit Dr. med. Katrin Faber, Expertin für Paracetamolvergiftungen

Wie häufig sind Paracetamolvergiftungen in der Schweiz und was können Sie zum Verlauf sagen?

Bei Tox Info Suisse werden wir täglich mehrfach mit Paracetamolvergiftungen konfrontiert. Glücklicherweise kommen schwere Fälle mit Paracetamol nicht so häufig vor. Das liegt vor allem daran, dass mit dem Antidot N-Acetylcystein (NAC) eine gute Therapie besteht und diese meist frühzeitig eingeleitet wird, so ist sie sehr effektiv.

Mit NAC als Antidot gibt es also eine gute Therapie. Hat diese auch Nachteile?

Unter der antidotalen Therapie treten relativ häufig unerwünschte Nebenwirkungen auf. Obwohl diese selten schwerwiegend sind, besteht das Risiko eines Therapieunterbruchs, was den Therapieerfolg gefährden kann. Bei einer so häufig angewendeten Therapie ist die Reduktion der Nebenwirkungen im klinischen Alltag ein wichtiger Faktor. 

Auf den 1. Februar 2024 wechselt Tox Info Suisse das Therapieschema mit NAC auf ein 2-bag Schema. Was ändert sich, was bleibt gleich?

Das traditionelle, recht komplexe Therapieschema nach Prescott mit drei unterschiedlichen Phasen wird auf zwei Phasen vereinfacht. Die ersten beiden Phasen des alten Schemas werden zusammengefasst, die Bolusgabe entfällt also und NAC wird in einem einzigen Bag von 200 mg/kg KG über vier Stunden verabreicht. Die nachfolgende Gabe von NAC bleibt unverändert: 100mg / kg KG über 16 Stunden. Die Gesamtdosis der Therapie bleibt somit gleich. 

Was sind die Vorteile des 2-bag Schemas?

Das 2-bag Schema weist bei vergleichbarer Wirksamkeit weniger UAW auf als das bisher verwendete Prescott-Schema (3-bag). Inzwischen gibt es gut angelegte Studien, die das belegen. Sie motivieren den Wechsel. Zudem ist das 2-bag Schema einfacher in der Handhabung. 

Weshalb ist die 2-bag Therapie nebenwirkungsärmer?

Das 2-bag Schema hat eine niedrigere Ladedosis, da die Bolusgabe entfällt. Unerwünschte Wirkungen traten beim Prescott-Schema typischerweise kurz nach der Bolusgabe auf, wenn die NAC-Dosen am höchsten waren. In der neuen Literatur ist man sich einig, dass mit einer niedrigeren Ladedosis weniger UAW auftreten.

Gibt es andere Giftinformationszentren, welche zum 2-bag Schema gewechselt haben?

Ja, uns sind Australien, Dänemark, Schweden und Teile in den USA bekannt. Eine verringerte Ladedosis wird auch in den UK seit vielen Jahren empfohlen. Australien hat eine Vorreiterrolle eingenommen, indem es Daten aus strukturierten klinischen Studien beigetragen hat. Erst dank dieser Daten haben wir genug Argumente, um den Wechsel des Therapieschemas zu empfehlen. 

Gilt das 2-bag Schema für sämtliche Therapieindikationen?

Ja, das neue 2-bag Schema wird unabhängig von der Therapieindikation empfohlen. Es gilt sowohl 
für die akute als auch chronische Überdosierung.


Zur Person: Dr. med. Katrin Faber


Portraitfoto von Katrin Faber

Katrin Faber arbeitet seit über 15 Jahren bei Tox Info Suisse. Sie ist Oberärztin und Expertin für Paracetamolvergiftungen. Ihr seit über zehn Jahren vertieftes Interesse an Paracetamolintoxikationen erklärt sie so: «Paracetamol ist eine der spannendsten Substanzen, welche die Toxikologie zu bieten hat. Obwohl Paracetamolvergiftungen zum täglichen Brot der Toxikologie gehören und es massenweise Literatur zu Paracetamolintoxikationen und deren Behandlungsaspekten gibt, werfen diese Vergiftungen immer wieder neue Fragen auf».

Katrin Faber ist Mitglied der «International Tox Collaboration Paracetamol». Die Fachgruppe hat das Ziel mit einem systematischen Review von über 40'000 wissenschaftlichen Referenzen allgemeingültige Leitlinien zum Management von Paracetamolintoxikationen zu erarbeiten. 


Infoblatt zum Runterladen

Literatur







Publiziert 1. Februar 2024